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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

02.12.2016

Aufbruch aus alten Sicherheiten

Ehrlich gesagt: Johannes stört. Seine Botschaft passt überhaupt nicht in unsere süßlich-adventliche Stimmung. Kurz vor Schluss hält er uns noch einmal eine richtige Standpauke. Und das ausgerechnet jetzt, wo wir uns auf die Festtage freuen und auf freie Zeit, in der wir Bilanz ziehen aus dem vergangenen Jahr und Pläne schmieden für das neue Jahr, in dem wir unseren persönlichen Sehnsüchten wieder ein Stück näher kommen wollen. Doch Johannes fordert uns auf, einen Blick in die Tiefe zu tun, auf den Grund unseres Lebens, unserer Seele und unserer Zeit. Dabei geht es auch um ein In-Frage-Stellen der eigenen Ansichten, Haltungen und Gewohnheiten. Das ist nicht immer besonders angenehm. Dennoch kommen die Menschen in Scharen zu Johannes, der sie zur Umkehr auffordert, weg von den alten Sicherheiten. Das Argument, zu den Kindern Abrahams und damit zum auserwählten Volk Gottes zu gehören, zählt für Johannes nicht, denn: „Gott kann aus diesen Steinen Kinder Abrahams machen“ (Mt 3,9). Vor dem Hintergrund des kommenden Gerichts geht es Johannes nicht um die Frage unserer Herkunft oder unserer sozialen, religiösen oder kultu-rellen Wurzeln. Er fragt nach dem, worauf wir unser Leben bauen, was uns Sicherheit gibt. Und er fragt, ob diese Sicherheiten für uns und die Welt einen Nutzen haben und ob sie Bestand haben vor Gott und in seinem Reich. Am Ende dieses Jahres denke ich an die Sicher-heiten, die ich um mein Leben gebaut habe. In diese Sicherheiten hinein tönt die schroffe Botschaft von Johannes: Diese alten Sicherheiten tragen nicht mehr. Alles wird sich wenden.

Es gibt eine Geschichte, in der Michelangelo vom Papst gefragt wird: „Wie haben Sie diese herrliche Statue von David erschaffen?“ – und Michelangelo ihm antwortet: „Ganz einfach. Ich entfernte alles, was nicht David ist.“ Was bleibt noch, wenn wir alles Unwesentliche entfernen aus unserem Leben, wenn wir die Verschalungen um uns herum aufbrechen? Es bleibt die Quelle menschlichen Lebens: Liebe, Demut und Barmherzigkeit. Auf den Nächsten schauen und Gott erkennen. Die harten Worte von Johannes zeigen den Menschen damals wie heute ihre Sehnsucht auf nach der Erfüllung einer göttlichen Verheißung, die uns befreien soll – und die für uns durch unsere Taufe bereits zur Wirklichkeit geworden ist. Dadurch hat sich die Botschaft von Johannes für uns nicht erledigt. Aber mit der Taufe aus Wasser und Heiligem Geist sind wir befreit aus unseren Zwängen in alten Sicherheiten. Der Aufbruch in eine Welt, in der wir den Kern unseres Menschseins entdecken: Das kann adventliche Umkehr für uns heute bedeuten.

Dr. Cordula Klenk stammt aus der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Sie studierte Diplomtheologie  und Lehramt Religionslehre und Musik für  die Realschule. Nach ihrer Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Religionspädagogik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt promovierte sie 2005 in katholischer Theologie. Von 2013-16 war sie Pastoralassistentin in Weißenburg, St. Willibald. Seit Juli dieses  Jahres arbeitet sie als Referentin für die Flüchtlingshilfe im Malteser-Diözesanverband.

Lesungen zum 2. Adventssonntag am 4. Dezember 2016

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