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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

23.09.2016

Die Sehnsucht nach Gerechtigkeit

Dein Reich komme – diese Bitte des Vaterunser beten wir in jeder Messfeier und auch täglich in unserem persönlichen Beten. In dieser Bitte drückt sich unsere Sehnsucht aus, dass es ein anderes Leben geben wird, nach diesem irdischen Leben. Ein anderes Leben in einem anderen Be-Reich.
Dieses Reich wird mit anderen Maßstäben rechnen als wir sie hier kennen. Dort wird es kein Leid mehr geben, dort werden alle Tränen getrocknet werden, dort wird es uns gut ergehen, wir werden voll des Glücks sein. Vor allem aber: in diesem künftigen Reich wird es Gerechtigkeit geben, eine Gerechtigkeit, von der wir hier nur träumen können.

Von diesem Reich und der mit ihm einhergehenden Gerechtigkeit spricht das Evangelium des 26. Sonntags im Jahreskreis. Der arme Lazarus, der einen Reichen um eine Wohltat bittet, wird von diesem zurückgewiesen. Erst nach seinem Tod erlangt der Arme Gerechtigkeit bei Gott und erfährt die ersehnte Wohltat in Abrahams Schoß. Dem Reichen aber ergeht es schlecht, er leidet entsetzliche Qualen in der Hölle, von denen er auch auf Bitten nicht befreit wird. Dies ist Gottes Gerechtigkeit. Die Armen werden ihr Heil erlangen, die Reichen und Unbarmherzigen werden in der Hölle landen.

Gerechtigkeit und Recht

Wenn wir auf unsere aktuelle gesellschaftliche Lage blicken, dann ist eine solche Botschaft für alle Armen und Leidenden eine wirkliche Verheißung. Wir alle wissen, wie schwer es auch in unserem Land ist, sich aus armen Verhältnissen empor zu schaffen. Und wie schwer ist es erst für Menschen, die völlig unverschuldet krank werden und deren Leid hier niemand etwas entgegenzusetzen hat. Menschen in solchen Situationen, sei es Armut oder Krankheit (oder beides), bleibt oft nur die Hoffnung auf eine andere Welt. Eine Welt, in der die Gerechtigkeit wohnt.

Es ist gut, eine solche Hoffnung zu hegen und es ist gut, einen Glauben zu haben, der weiter blickt als auf den nächsten Hügel. Dennoch bleibt die Tatsache bestehen, dass es in dieser Welt allzu oft keine Gerechtigkeit gibt. Wir haben zwar ein ausgebautes Rechtssystem, das unabhängig von der ausübenden Gewalt im Staat existiert. Auch in der Kirche haben wir ein Kirchenrecht. Doch diese Rechtssysteme sorgen für das geltende Recht und nicht für Gerechtigkeit. Sie können nicht eintreten, wenn jemand, obwohl er ein Halunke ist, reich und gesund lebt. Sie können nicht eintreten, wenn jemand, obwohl er ein redliches und anständiges Leben führt, arm und krank wird. Diese Ungerechtigkeiten des realen Lebens bleiben einfach bestehen und niemand kann hier für Gerechtigkeit sorgen. Wir können nur Leid mindern und bewiesene Straftaten verurteilen.

Das ist jedoch andererseits sehr viel. Das Evangelium von Lazarus weist uns darauf hin, dass wir immer wieder unser Leben hier relativieren müssen. Eine absolute Gerechtigkeit gibt es in diesem Leben nicht, das erfahren wir alle tagtäglich. Dennoch sind unsere – manchmal vielleicht auch – hilflosen Maßnahmen, Gerechtigkeit zu schaffen für Arme und Kranke, ein wertvoller Hinweis auf die volle und ganze Gerechtigkeit. Diese ganze Gerechtigkeit gibt es hier nur anfanghaft, aber einst wird sie uns in ihrer ganzen Fülle vor Augen treten – in Gottes Reich.

Dr. Bettina-Sophia Karwath, Kirchenzeitung vom 25.09.2016

Dr. Bettina-Sophia Karwath wurde 1966 in Nürnberg geboren.  Sie studierte in Bamberg, Rom und Würzburg Theologie, Philosophie und Psychologie und promovierte sich mit einer Arbeit über Simone Weil. Sie war Lehrbeauftragte an der Uni Würzburg, Religionslehrerin und kennt die katholische Verbandsarbeit durch ihre Tätigkeit beim kfd. Bevor sie in diesem Jahr Theologische Referentin im diözesanen Tagungshaus Schloss Hirschberg wurde, war sie acht Jahre lang wissenschaftliche Mitarbeiterin am "Lehrhaus für Psychologie und Spiritualität" in Marktheidenfeld.

Lesungen zum 26. Sonntag im Jahreskreis am 25. September 2016

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