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11.11.2016

Wallfahrt von den Kreidefelsen bis zum Tiber

Glücklich am Ziel: Pfarrer Hans Zeltsperger (l.) und Pfarrer Stefan Brand (r.) mit Mosignore Dr. Josef Gehr auf dem Petersplatz. Foto: privat

Glücklich am Ziel: Pfarrer Hans Zeltsperger (l.) und Pfarrer Stefan Brand (r.) mit Mosignore Dr. Josef Gehr auf dem Petersplatz. Foto: privat

Der Jakobsweg nach Santiago de Compostela und die Via Francigena von Canterbury nach Rom sind zwei jahrhundertealte Pilgerwege mit Schnittpunkt in Lausanne. Markiert man die beiden Routen mit einem Stift auf der Landkarte, so bilden sie ein Kreuz, das sich über Europa legt. Zwei Eichstätter Pfarrer haben dieses Kreuz Meter für Meter beschritten, über Jahre hinweg und auf zahlreiche Etappen verteilt.

Jetzt legten Stefan Brand aus Abenberg und Hans Zeltsperger aus Edelsfeld das letzte Teilstück der Via Francigena ab Lucca zurück. Ihre Motivation war es, „auf den Spuren des heiligen Willibald zu gehen und für unsere Pfarreien, unsere Diözese und die Erhaltung des Glaubens in Europa zu beten“.

Nur ein Tag in England

Im Jahr 2000 beschlossen Brand und Zeltsperger, die sich von einer Kaplansfortbildung kannten und bereits gemeinsam nach Altötting gepilgert waren, gemeinsam von daheim aus den Jakobsweg nach Santiago zu gehen. Sieben Sommerurlaube hintereinander strebten sie diesem Ziel zu. 2008 dann die nächste Tour: vom Grab des heiligen Willibald in Eichstätt nach Rom. In Siena entdeckten sie ein Schild, das auf die einmündende Via Francigena verwies und stellten erstaunt fest: „Die geht ja hoch bis nach England.“ So war auch gleich die Idee für ihre nächste Pilgerunternehmung geboren, die sie 2012 im englischen Canterbury starteten.

Pfarrer Brand kam direkt von einem Treffen seiner Priestergemeinschaft in Ars und hatte von Mitbrüdern den Tipp bekommen, sein Auto im Klarissenkloster von Reims unterzustellen. So weit sollte die erste Teilstrecke führen. Insgesamt hatten Brand und Zeltsperger fünf Etappen von je etwa 400 Kilometern veranschlagt, die sie mit An- und Heimreise in jeweils knapp zwei Wochen bewältigten. 2.000 Kilometer bei Regen, Wind und Sonne auf Schusters Rappen, „und trotzdem noch sehr komfortabel im Vergleich zu den Bedingungen der Pilger im Mittelalter“, meint Brand.
Noch am Tag ihres Aufbruchs erreichten die Pilger das 30 Kilometer von Canterbury entfernte Dover und setzten über den Ärmelkanal nach Calais über. Den Schlüssel für das Kaplanshaus, in dem sie übernachten konnten, hatte Pfarrer Brand in Ars bei einem Mitbruder organisiert. Immer wieder konnten die zwei Pilger in Pfarrheimen oder Klöstern übernachten, auch wenn diese in Frankreich weit auseinanderlagen und manchmal karg ausgestattet waren. Die schwierigen Bedingungen der französischen Kollegen wurden Brand und Zeltsperger auch angesichts der riesigen pastoralen Räume bewusst, die Geistliche zu betreuen haben. „Da betreuen Pfarrer Gemeinden, die so groß sind wie in Italien ein ganzes Bistum“, berichtet Brand.

Pfarrsaal und Hausboot

Stand kein kirchliches Quartier zur Verfügung, so übernachteten die beiden Pilgerkameraden auch in Hotels und Pensionen, und einmal sogar auf einem Hausboot an der Saone, das der Vermieter den erstaunten Bayern mit einem stolzen „Voilà“ präsentiert hatte. Von den Menschen in Frankreich fühlten sich die beiden Deutschen herzlich aufgenommen. Den Geist der Versöhnung zwischen den einstigen Kriegsgegnern spürten sie besonders in der Kathedrale von Reims: Dort hatten sich Konrad Adenauer und Charles de Gaulle 1962 bei einer Friedensmesse die Hand gereicht. Die Wunden des Krieges blieben Brand und Zeltsperger freilich nicht verborgen: auf ihrem Weg kamen sie immer wieder an Soldatenfriedhöfen vorbei.
In der Schweiz staunten sie über die gute Pilger-Infrastruktur. Manche Gemeinden haben sogar Stockbetten im Pfarrsaal für Übernachtungsgäste aufgestellt, den Schlüssel gab es meist im Restaurant oder Café gegenüber. Auch in Italien mangelte es nicht an Unterstützung.

Zeltsperger erinnert sich an einen Rentner, der Rucksackpilgern schon von weitem mit dem Fahrrad entgegenfuhr, sie mit Wasser und Pilgerstempel versorgte und ein Quartier zeigte.
Noch bevor die Hitze des Tages anbrach, machten sich die zwei Wanderer wieder auf den Weg und genossen die morgendliche Stille. Den ersten Cappuccino gab es oft erst nach zweistündigem Marsch an einer Tankstelle, mittags taten es ein paar Bananen aus dem Supermarkt. Nur abends wurde richtig gegessen.

In mancher italienischen Dorfbar entdeckten Brand und Zeltsperger auf ihrer jüngsten Etappe Plakate mit dem Hinweis: „Heute Abend Rosenkranz für die Opfer von Amatrice.“ Spontan schlossen sie sich den Gebeten für die Menschen in der Erdbebenregion an.

Regelmäßig zelebrierten sie auch die Heilige Messe. Im Rucksack führten sie alles mit, was sie dazu brauchten. Vor jeder Pilger-Etappe sprechen sich Brand und Zeltsperger ab: Wer nimmt Kelch und Stola mit? Und wer packt Blasenpflaster und Rei in der Tube ein?

Glücklich in Rom angekommen, holten sich die beiden Pfarrer ihre Pilgerurkunden im Jugendzentrum San Lorenzo ab und wurden dann am Petersplatz von ihrem Eichstätter Mitbruder Monsignore Dr. Josef Gehr willkommen geheißen, der derzeit an der Kurie arbeitet. Tags darauf war nochmals Ausdauer gefragt: Brand und Zeltsperger unternahmen nach altem Brauch eine Sieben-Kirchen-Wallfahrt quer durch die Ewige Stadt. Der Abenberger Pfarrer besuchte auch das Kloster der Abenberger Schwestern in Castel Sant Elia vor den Toren Roms. Besonders die aus Wissing stammende Schwester Aquina Vögerl freute sich über den Besuch aus der Heimat.

Im nächsten Jahr planen die Pilgerkameraden einen neuen Weg nach Santiago zu erkunden. Weil auch Abenberg am Jakobsweg liegt, kann Pfarrer Brand immer wieder Pilger begrüßen. Gern bietet er ihnen ein Nachtlager im Pfarrhaus an. Weiß er doch aus eigener Erfahrung „wie schwer manchmal ein Quartier zu finden ist und wie sehr sich ein Pilger über ein kirchliches Dach über dem Kopf freut“.

Gabi Gess, Kirchenzeitung Nr. 46 vom 13. November 2016

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