Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium
Der Gang durch die Wüste als Weg zur Erkenntnis
Welcher Teufel hat mich nur geritten?“, fragen wir uns, wenn wir „Mist gebaut“ haben. Saß mir ein gehörnter Teufel im Nacken, als ich mich entschied das Böse zu tun? Wir reden gerne von der „bösen Welt“, die für das Böse ursächlich ist. Wir projizieren die Schuld auf Menschen, Gruppen, Institutionen. Sündenböcke werden vorschnell ausgemacht. Ist es nicht peinlich, wenn wir auch innerkirchlich in diese Trickkiste der Verteufelung greifen, um andere zu brandmarken? Die Aussage Jesu „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein“ haben wir nicht verinnerlicht. Sonst würden Konservative und Progressive nicht so übereinander herfallen!
Seit Adam und Eva treibt die Menschen die Frage nach dem Bösen um. So wurde Jesus wegen eines Blinden gefragt: „Meister, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren ist?“ Jesus antwortete: „Weder er noch seine Eltern!“ (Joh 9,1-3) Woher das Böse kommt, darauf gibt Jesus eine eindeutige Antwort: „Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Habgier, Bosheit, Hinterlist, Ausschweifung, Neid, Verleumdung, Hochmut und Unvernunft!“ (Mk 7,14f)
Um das Innere zu sanieren, zog es viele Menschen in die Wüste. So konnten sich die Wüstenmütter und -väter ganz auf sich konzentrieren. Handyempfang gab es noch nicht. Sigmund Freud hat herausgefunden, dass wir vieles ins Unterbewusstsein verdrängen. Ihm zufolge ist unser Bewusstsein wie ein Eisberg. Das Unterbewusstsein macht 90 Prozent aus. Der Mensch verdrängt vieles. Und so bekommen heute viele bei Psychotherapeuten wertvolle Hilfe, um sich über sich selbst klar zu werden. Das Böse ist also nicht in der Welt draußen, sondern in uns. Der Gang in die Wüste oder zum Therapeuten ist kein Sommerspaziergang. Den eigenen dämonischen Mächten zu begegnen, ist nicht vergnügungssteuerpflichtig. Wir dürfen darüber erschrecken, was sich in uns alles tut. Abmurksen, verdrängen oder abtöten ist keine Lösung. Es kommt dann nur schlimmer.
Alfred Delp, der vor seiner Hinrichtung monatelang in Einzelhaft saß, beschreibt eine solche Wüstenerfahrung: „Alle die wirklich Großen haben die Einsamkeit und die Einöde bestanden; und die großen Urfragen, die sich dort den ausgesetzten Menschen stellen. Dass der Herr in die Wüste ging, zeigt nur, wie echt und ernst er die Gesetze des Menschen nahm. Die großen Aufbrüche der Menschheit werden in der Wüste entschieden. Das ist eine der bewussten Befreiungstaten, die der Mensch an sich selbst tun muss, dass er sich immer wieder in der Einsamkeit dem großen Frager und dem echten Anblick der Dinge stellt.“ Das ist ein inneres Drama. Der Anblick des inneren Saustalls schockiert. Die Flucht in die Schuld der anderen ist verstellt. Die Selbstgerechtigkeit fällt wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Dieser Weg führt in die echte Demut, die sich nicht mehr mit anderen vergleicht. Wer diese Wüstenwanderung bestanden hat, wird andere nicht mehr richten. Wer den eigenen Balken gefunden hat, hat keine Freude mehr am Splitter in den Augen der anderen. Ein solcher Gang durch die Wüste ist eine Selbstreinigung und Selbstheilung, die allerdings nur unter heftigen Geburtswehen zu bekommen ist.
Nochmals Delp: „Die Wüste ist der große Raum der Besinnung, der Erkenntnis, der neuen Einsichten. Und sie ist der stille Winkel unserer Tränen, Notrufe, Erbärmlichkeiten und Ängste. Aber sie gehört dazu. Wir dürfen sie nicht meiden.“
Pater Josef Lienhard, Nr. 9 vom 26. Februar 2023 - Evangelium Mt 4, 1–11
Gott will nicht den Tod, sondern das Leben.
Jesus ist gekommen, damit wir das Leben in Fülle haben (Joh 10, 10).
In ihm ist der neue Mensch sichtbar geworden, der ursprüngliche Mensch,
wie Gott ihn am Anfang gemeint und geschaffen hat:
der nicht nur vom Brot lebt, sondern vom Wort des lebendigen, anwesenden Gottes.
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