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Auf ein Wort: Gedanken zum Sonntagsevangelium

07.06.2023

Die Barmherzigkeit hat Vorrang

Die Barmherzigkeit hat Vorrang

Die Barmherzigkeit hat Vorrang Foto: pixabay

Wenn Jesus lehrt, dann sind nicht nur seine Worte interessant, sondern auch die Gesten – also wie Jesus handelt. Jesus ist der Emmanuel, das heißt übersetzt: Gott ist mit uns. Und der Name ist Programm, denn Jesus möchte wirklich nah bei den Menschen sein, ganz ohne Vorurteile und Unterstellungen.

In dieser Haltung geht Jesus auch auf den Zöllner Matthäus zu. Dieser übt einen Beruf aus, der in der damaligen Bevölkerung nicht besonders anerkannt ist. Die Begegnung mit Jesus verändert das Leben des Zöllners jedoch radikal. Jesus provoziert, als er ihn anspricht und sich sogar noch auf die Tischgemeinschaft mit ihm einlässt. An mehreren Stellen im Evangelium hören wir davon, dass Jesus keine Berührungsängste kennt. Das sorgt für Aufsehen in der Öffentlichkeit – „dieser Freund der Zöllner und Sünder“ (Mt 11,19) heißt es.

Jesus lässt sich von den Traditionen seiner Zeit aber nicht beirren. Als er beim Pharisäer Simon zu Gast ist, lässt er es zu, dass eine ortsbekannte Sünderin ihm die Füße salbt. Beim Zöllner Zachäus möchte Jesus von sich aus zu Abend essen. Und immer wieder betont Jesus: Auch solche Menschen sind ins Reich Gottes eingeladen.

Eines fällt auf: Immer wenn Jesus eine gesellschaftliche Tradition bricht, dann hilft er damit Menschen, die unter den Regeln zusammenzubrechen drohen. Von der Barmherzigkeit Gottes, die jeden Menschen einlädt, können uns auch zahlreiche Heilige erzählen. Denken Sie an den Apostel Paulus, der zunächst ein harter Verfolger der Christen war. Oder an Augustinus und an Franziskus von Assisi, die beide eine ganz radikale Lebenswende erlebt haben – durch die persönliche Begegnung mit Jesus.

Wenn Jesus mit Menschen aus Randgruppen der Gesellschaft Kontakt pflegt, dann eckt er damit an. Das sagt schon Simeon voraus, als Maria und Josef ihr neugeborenes Kind in den Tempel bringen: „er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird“ (Lk 2,34).

Zur Zeit Jesu begegnete man vielen Bevölkerungsteilen eher zurückhaltend oder sogar misstrauisch: Kranken, Hirten, Zöllnern und den Angehörigen der Samaritaner.

Auch in der Kirchengeschichte finden wir viele Momente von Ungerechtigkeit. Menschen mussten leiden, weil andere ihre Macht für eigene Interessen einsetzten und nicht dem Beispiel Jesu gefolgt sind. Leider können wir nicht ändern, was in der Vergangenheit passiert ist. Wichtig ist, dass wir selber ohne faule Kompromisse Gottes Gebot der Barmherzigkeit befolgen und Menschen achtsam begegnen.

Der Schlusssatz der heutigen Evangelienstelle ist markant: „Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer.“ (Mt 9,13) Das bedeutet nicht, dass Gott keine Opfer schätzt, sondern, dass die Priorität bei der Barmherzigkeit liegen muss. Besondere Gebets- oder Fastenzeiten sind wichtig, aber sie müssen in einer Haltung der Barmherzigkeit und der Versöhnungsbereitschaft gefeiert werden. Jesus sagt deutlich: „Wenn du deine Opfergabe zum Altar bringst und dir dabei einfällt, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, so lass deine Gabe dort vor dem Altar liegen; geh und versöhne dich zuerst mit deinem Bruder.“ (Mt 5,23-24) Deswegen steht am Anfang der Heiligen Messe auch der Bußakt, der uns bewusstmacht, dass die Versöhnung die Bedingung dafür ist, dass wir uns auf den Gottesdienst wirklich ernsthaft einlassen können.

Johannes Arweck, Nr. 24 vom 11. Juni 2023 - Evangelium Joh Mt 9, 9–13


Zehnter Sonntag im Jahreskreis

Barmherzigkeit hat in unserer Sprache keinen besonders guten Klang.
Wir wollen zuerst Gerechtigkeit.
Aber sagen wir statt Barmherzigkeit einmal
Zuwendung, Verständnis, Hilfsbereitschaft, Versöhnung:
All das lässt sich nicht durch Gesetze erzwingen, es kann nur aus dem Herzen kommen.
Ohne diese Barmherzigkeit (oder wie wir es nennen wollen),
ohne die Liebe, die dem anderen Gutes will und Gutes tut,
ist unser ganzer Gottesdienst nichts wert.

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