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09.09.2020

„Alle Ordnungsmuster erschüttert“ Generalvikar denkt über Corona-Krise nach / Jetzt schon Weihnachten im Blick haben

Vorschriftsmäßige Begrüßung: Pater Michael Huber (r.) und Diakon Dr. Anselm Blumberg, Gastgeber der regelmäßigen Glaubensgespräche im Eichstätter Dompfarrheim.

Vorschriftsmäßige Begrüßung: Pater Michael Huber (r.) und Diakon Dr. Anselm Blumberg, Gastgeber der regelmäßigen Glaubensgespräche im Eichstätter Dompfarrheim. Diesmal machte sich der Generalvikar persönliche Gedanken über die Corona-Pandemie und ihre Folgen. Foto: vb

So viele Zuhörer hatten wir in der 15-jährigen Geschichte der Glaubensgespräche noch nie“, lautete das Fazit von Diakon Dr. Anselm Blumberg, Leiter der von der Marianischen Männerkongregation initiierten monatlichen Reihe mit wechselnden Gastreferenten. Es war aber auch ein hochaktuelles Thema gewesen, das der Generalvikar des Bistums, Pater Michael Huber, diesmal im Dompfarrheim beleuchtete: „Wie ich die Corona-Krise erlebe und warum auch dieser Schaden Nutzen bringen kann.“

Mit einem ganz persönlichen Rückblick stieg der Generalvikar ins Thema ein: Ein neues Virus in China, zunächst weit weg, dann zunehmend bedrohlicher, „wie Gewitterwolken, die näherziehen“. Dann die „Schockstarre“, die Kontaktbeschränkungen, der Blick in die Seniorenheime, die Sorge um den eigenen, 82-jährigen, allein lebenden Vater, die Besuche „mit großem Abstand, um ihn nicht zu gefährden“.

 

Hier Starre, da Energie

Der Infektionsschutz verfolgte Huber aber auch beruflich: Im Generalvikariat ging eine Vielzahl staatlicher Vorgaben ein, die es im Ordinariat und in den Pfarreien umzusetzen galt. Auf völlig neue Fragestellungen habe man in großer Eile Antworten finden müssen, verwies der Generalvikar auf das Verbot öffentlicher Gottesdienste während des Lockdown oder auf Beerdigungen mit strengsten Teilnahmebeschränkungen. Danach die Abstands- und Hygieneregeln, die in allen Kirchen des Bistums zu gewährleisten waren. Die geschlossenen Pfarrheime, die Ungewissheit, wie es mit der Sakramentenvorbereitung weitergehen sollte. Und nicht zuletzt Fragen, die die Diözese als Arbeitgeber betrafen: Umgang mit Verdachtsfällen, Quarantäne, Kurzarbeit. 

Den Umgang mit der Krise habe er zweigeteilt erlebt, meinte Huber. Mal habe Corona „zur Starre und zum Stillstand vor Ort“ geführt, mal sei „unglaublich viel Engagement und Energie aufgeblüht“. Ministranten hätten Einkaufsdienste übernommen, Zeitungen geistliche Impulse gedruckt. Pfarrgottesdienste seien „gestreamt“ und nebst weiteren Mitmach-Angeboten ins Netz gestellt worden. 

Wie sich die Situation im Herbst und Winter präsentieren werde, sei ungewiss, meinte Huber. Während aber die Osterfeierlichkeiten „ad hoc“ geplant werden mussten, bleibe für die Vorbereitung auf Advent und Weihnachten mehr Vorlaufzeit Wie der Generalvikar im Gespräch mit der KiZ ergänzte, sei auch die Deutsche Bischofskonferenz schon am Zusammenstellen von Materialien und Angeboten. Denkbar sei zum Beispiel die Fernseh-Übertragung eines Krippenspiels auf ökumenischer Basis. Im Bistum könne er sich auch Krippenspiele im Freien vorstellen, überlegte der Generalvikar weiter. Denn angesichts der Zahl an Neuinfektionen sei zu befürchten, dass es keine Kinderchristmetten in der gewohnten Form gebe. Und das sei überaus schade, „weil es der bestbesuchte Gottesdienst im Jahr ist. Da müssen wir uns etwas einfallen lassen“. 

In Zeiten der Pandemie würden „alle Ordnungsmuster erschüttert, Gewissheiten destabilisiert“, stellte der Referent grundsätzliche Überlegungen an, „manche sprechen sogar von einer Zeitenwende. Anstelle von Selbstbestimmtheit und der Annahme, „Regisseur der Welt“ zu sein, sei dem Menschen eine nicht mehr geglaubte Verwundbarkeit „sehr deutlich vor Augen geführt worden“. Eine Verwundbarkeit, in der Christen nicht steckenbleiben dürften. Vielmehr gelte es, sich für die Verwundbarkeit anderer zu öffnen, eine „sorgende Haltung“ einzunehmen und dabei auch den globalen Weitblick zu bewahren, statt sich einzuigeln.

 

Gefährliche Verschwörer

Dass Viele mit Kontrollverlust, Ungewissheit nicht umgehen können, zeige sich an der Vielzahl von Verschwörungstheorien, die vermeintliche Gewissheiten gäben. Da würden eindeutige Schuldige benannt, da werde Corona als Erfindung abgetan, Zweifel an wissenschaftlicher Erkenntnis gesät, Misstrauen und Gerüchte gestreut: „Das ist nicht nur völlig daneben, sondern gefährlich. Es schürt Angst und Sorge und ist letzten Endes eine gewaltige Entsolidarisierung.“

Der Kirche werde in diesen Tagen immer wieder der Vorwurf gemacht, sprachlos zu sein angesichts der Corona-Krise, leitete Huber den letzten Teil seiner Ansprache ein: Eine theologische Deutung, die er mit Aussagen von Papst Franziskus, Kurienkardinal Kurt Koch oder auch Fundamentaltheologe Johann Baptist Metz anreicherte. 

 

Warum darf das sein?

Mit der Klarstellung, dass Pandemien, Seuchen, Naturkatastrophen heute nicht mehr als Strafe Gottes für moralisch gefallene Gesellschaften betrachtet werden wie in früheren Jahrhunderten, „ist die Frage nicht beendet“, meinte der Generalvikar. Die Frage, wie ein liebender Gott eine Geißel wie Corona zulassen könne, die gerade Arme, Alte und Kranke besonders betreffe. „Rechtfertigung Gottes“ heißt die Übersetzung des griechischen Begriffs „Theodizee“, der auch in Hubers Vortrag fiel. Seine Empfehlung für die Kirche: Mit praktischen Maßnahmen zur Linderung beitragen, aber auch „Angebote machen, die der Gottesglaube bietet, mit Sterblichkeit und Endlichkeit umgehen zu lernen“. Verkündigung sei das eine: „Raum für Glauben anbieten, für Klage, Bitte und Dank im Gebet, für Lobpreis, für Feiern, für Trost und Hoffnung.“ Das andere sei die Sorge um das reale Wohl der Menschen. Huber nannte dabei die professionelle Hilfe der Caritas ebenso wie nachbarschaftliche Unterstützung und gelebte Solidarität in der Familie, im Dorf und darüber hinaus. In diesem Zusammenhang warb er auch für die Sonderkollekte am Weltkirchlichen Sonntag (die Kiz berichtete). Nicht zuletzt nutzte der Generalvikar die Gelegenheit, den vielen Diensten in der Kirche, die sich in diesen Tagen des Ausnahmezustands um Organisation und Hygiene kümmern „auch einmal Dank auszusprechen“.

Gabi Gess

 


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