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23.02.2023

Die Schlangen werden länger

Die Schlangen werden länger - Caritas prüft auf Bedürftigkeit

In Beilngries werden rund 350 Menschen Woche für Woche von der Tafel versorgt. Die Lebensmittelausgabe findet im Freien statt. Foto: pr

Ihre Mission ist simpel: Lebensmittel retten und bedürftigen Menschen damit helfen. Bundesweit gibt es rund 960 Tafeln, die diese Idee verfolgen, die Woche für Woche in Supermärkten, Metzgereien oder Bäckereien Lebensmittel abholen, die dort nicht mehr verkauft werden können. Auch im Bereich des Bistums finden sich viele solcher Einrichtungen (siehe Kasten unten), die dem Dachverband Tafel Deutschland angehören, und die, vor allen Dingen mit ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, Tausende Menschen versorgen, denen es oft am Nötigsten fehlt. Vielerorts kooperieren Caritas, Diakonie und auch Pfarreien mit den Tafeln. Sie treten als Träger auf oder übernehmen einen Teil der Verwaltungsarbeit.

Akt der Nächstenliebe

2007 startete die Tafel in Beilngries (Dekanat Eichstätt). Sie ist zuständig für ein Gebiet zu dem unter anderem Kipfenberg, Breitenbrunn und Greding zählen. Wie Tafel-Leiterin Elfriede Bruckschlögl erklärt, waren es zum Start vor 16 Jahren etwas mehr als zwei Dutzend Personen, die versorgt wurden. Aktuell sind es 350. Nach der Flüchtlingswelle 2015 habe es schon einen ersten großen Anstieg gegeben auf 280 Personen. Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs vor einem Jahr wuchs die Anzahl dann weiter. Weil der Andrang so groß ist, werden die Lebensmittel derzeit im Freien, unter einem Pavillon, ausgegeben. „Wir merken, dass es immer mehr Leute gibt, die einfach wenig Geld haben“, sagt Bruckschlögl. Die Vorsitzende des Pfarrgemeinderats der Pfarrei St. Walburga wirkt von Anfang an im Tafel-Team mit. Gut 50 Frauen und Männer gehören dazu. Sie arbeiten im Schichtdienst und sind in der Regel alle drei Wochen, jeweils dienstags im Einsatz im „Fahrer-Team“, im „Herricht-Team“ oder im „Abgabe-Team“. Der Tafel-Laden liegt in der Hauptstraße, bei der Frauenkirche. Träger sind die Pfarrei St. Walburga und die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde. Bruckschlögl hebt die ökumenische Kooperation hervor, die sich auch im Team widerspiegle. Die Arbeit sei für alle „ein Akt der Nächstenliebe“, heißt es in der Eigenwerbung der Tafel Beilngries. Unterstützt wird die Tafel von der örtlichen Kolpingsfamilie, der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung und anderen kirchlichen und weltlichen Vereinen und Verbänden. Immer wieder gibt es Aktionen mit Sach- oder Geldspenden. Hilfe kommt auch von den Firmlingen. Die Jugendlichen arbeiten im Rahmen eines Projekts einen Tag lang in der Tafel mit, helfen beim Sortieren und der Ausgabe, berichtet Bruckschlögl.

Da die Supermärkte immer genauer kalkulieren, gebe es auch immer weniger Ware für die Tafel, sagt Bruckschlögl. Es müssten immer wieder Lebensmittel dazugekauft werden, um genügend für die Kunden im Angebot zu haben. Zusätzliche Lebensmittel erhalte man auch über den Tafelverband Bayern, der manchmal in einem Zentrallager Sachen zum Abholen bereit hält. Wenn sie an die immer länger werdenden Schlangen bei der Ausgabe denkt, wird die Leiterin der Beilngrieser Tafel nachdenklich: „Eigentlich ist es traurig, dass so viele auf die Tafel angewiesen sind. Obwohl wir doch eine extreme Wohlstandsgesellschaft sind.“

An drei Tagen offen

1995, zwei Jahren nach der Gründung der ersten Tafel in Deutschland in Berlin (siehe KiZ Nr. 8), entstand auch in Schwabach eine Einrichtung, die der Lebensmittel-Verschwendung Paroli bietet. Sie wird getragen vom Verein „Familien- und Altenhilfe“. Der war 1969 von Schwabacher Bürgerinnen und Bürgern sowie Vertretern der katholischen und evangelischen Kirche ins Leben gerufen worden. Vorsitzende des Vereins ist Ursula Kaiser-Biburger. Sie berichtet, dass im vergangenen Jahr rund 300 Berechtigungsscheine ausgegeben worden sind. Dahinter stehen 420 Erwachsene und 290 Kinder. 2021 lag die Zahl der Berechtigungsscheine zum Abholen von Lebensmitteln noch bei 150. Auch in Schwabach habe es durch Menschen, die aus der Ukraine geflohen sind, eine Zunahme gegeben, so Kaiser-Biburger weiter. Rund 51 Prozent der Berechtigten zählen zu dieser Gruppe.  Wie Andrea Schmidt, Geschäftsführerin bei der Familien- und Altenhilfe, erklärt, stellt auch die Pfarrei „Einkaufsscheine“ aus, mit denen Bedürftige in der Tafel kostenfrei einkaufen können. 2022 habe es zehn solcher Scheine gegeben, im Jahr davor zwei. Was auffällt an der Schwabacher Einrichtung: sie ist dreimal in der Woche geöffnet. Das sei „historisch bedingt“, erläutert Schmidt. „Solange wir noch ausreichend Helferinnen und Helfer haben, halten wir daran fest.“ Zu einem großen Team Ehrenamtlicher kommen in Schwabach Mitarbeiter, die die Fahrdienste übernehmen. Dafür sind Menschen angestellt, die auf dem normalen Arbeitsmarkt meist keine Stelle finden. Neben der Tafel in Schwabach mit Läden in der Michael-Hierl-Straße und am Spitalberg gibt es eine Ausgabestelle in Eichwasen. Zudem beliefert die Tafel die Übergangswohnanlage Schwalbenweg für Menschen ohne festen Wohnsitz.

Aufnahmestopp

„Ohne die Tafeln kämen viele Menschen nicht zurecht“, sagt Alexandra Trögl. Sie leitet die Caritas-Kreisstelle Weißenburg. Dort werden, wie in anderen Caritas-Kreisstellen auch, die sogenannten Berechtigungsscheine ausgestellt. Wer ein geringes Einkommen hat oder Sozialleistungen bezieht, kann sich bei der Caritas melden. Sie prüft die Bedürftigkeit und stellt allen, die berechtigt sind, Tafel-Ausweise aus. Die Kreisstelle Weißenburg hat diese Aufgabe für die Tafeln in Gunzenhausen, Treuchtlingen, Weißenburg und Wemding übernommen. Die Diakonie stellt ebenfalls Ausweise aus. Für „die Speis“, wie die Tafel in Gunzenhausen heißt, sind im Jahr 2021 noch 68 Scheine ausgestellt worden. 2022 stieg die Anzahl dann sprunghaft auf über 200. So viele wie nie zuvor, blickt Trögl zurück. Eine Herausforderung für alle Beteiligten, aber „mit viel Kraft und großzügigen Spenden konnte ‚die Speis‘ auch in dieser schwierigen Zeit viele Menschen unterstützen“. Momentan gibt es allerdings einen Aufnahmestopp, um das System nicht zu überlasten. Voraussichtlich bis Juni können keine neuen Kunden aufgenommen werden. Trögl weiß, dass das für viele Menschen ein Problem bedeutet. „Trotzdem darf man nicht vergessen, dass die Leistungen der Tafeln alle freiwillig sind. Sie übernehmen eigentlich eine Aufgabe, die der Staat übernehmen müsste.“

Andrea Franzetti


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