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30.03.2023

Ein Tod, der alles änderte

Ein Tod, der alles änderte

Eine Schmäh-Karikatur, die im frühen 3. Jahrhundert in Rom entstand, zeigte Referent Prof. em. Dr. Martin Ebner bei einem Studientag im Nürnberger Caritas-Pirckheimer-Haus. Wer genau hinschaut, erkennt eine gekreuzigte Figur in Menschengestalt mit Eselskopf. Foto: Pilz-Dertwinkel

Freitag, der 7. April des Jahres 30 nach Christi Geburt, soll der letzte Tag im Leben des Jesus von Nazaret gewesen sein: Er starb am Kreuz, am Rüsttag des Pessahfestes. Vorausgegangen war der Einzug in Jerusalem, das letzte Abendmahl, der Verratdurch Judas, die Gefangennahmeam Ölberg, Verhör und Verurteilung zum Tod. Drei Tage später vollendete seine Auferstehung diese wichtigste Woche der Christen, deren Nachwirkung das gesamte Abendland und die Weltgeschichte verändert hat. Bei einem biblischen Studientag im Nürnberger Caritas-Pirckheimer-Haus (CPH) beleuchtete Prof. em. Dr. Martin Ebner die letzten Tage Jesu – in historischer und theologischer Perspektive.

Die Ausgangsfrage für den Vortrag Ebners, der bis 2019 den Lehrstuhl für Exegese des NeuenTestaments an der Universität Bonn innehatte, findet sich im Lukasevangelium: Warum „musste der Messias all das erleiden“? Wie konnte es zur Kreuzigung des jungen Mannesaus Nazaret kommen? Waswaren die Hintergründe? Und warum bekam dieses Ereignis, das im hintersten Winkel des Römischen Reiches stattgefunden hat, eine derart universale Bedeutung? Ebner ging beim Studientag auf rechts- und sozialgeschichtlich eruierbare Rahmenbedingungen ebenso ein, wie auf  frühe theologische Deutungen in den Passionserzählungen der Evangelien. Im Vergleich wurde deutlich, dass diese ein durchaus unterschiedliches Licht auf Gefangennahme, Prozess und Kreuzigung Jesu werfen.

Hoffnungsträger 

Die Kreuzigung, so erfuhr die Zuhörerschaft, galt als die schändlichste Hinrichtungsart jener Zeit. Die Römer wandten diese Todesstrafe bei Aufrührern an oder bei Räubern. Wer ans Kreuz genagelt wurde, war verachtet. Ebner versuchte, der Stimmung bei den Anhängern Jesu nachzuspüren: Der Hoffnungsträger wurde ausgelöscht, ein verurteilter Gotteslästerer und Aufrührer war ein schlechtes Aushängeschild. Einen Gekreuzigten konnte man sich schlecht als Identifikationsfigur vorstellen. Ebner zeigte dazu ein auf dem römischen Palatin gefundenes Schmäh-Grafitto aus dem frühen 3. Jahrhundert: Man erkennt eine Gestalt am Kreuz – mit Eselskopf.

Schwer vorstellbar, dass genau dieser Weg, der für Jesus von Nazaret auf Golgota endet, Gottes Weg sein sollte. Das Kreuz müsse, so Ebner, in einen größeren Rahmen gestellt werden, um die Vernichtungsaktion in neuem Licht zu sehen. Die überlieferten Texte dürften nicht als reine Faktendarstellung gesehen werden, betonte der Referent, vielmehr seien die Geschehnisse gleichsam mit Hintergrundfolien aus jüdischer und hellenistischer Tradition unterlegt. Am Beispiel des Einzugs Jesu in Jerusalem zeigte Ebner Parallelen im Markus- und Matthäusevangelium auf und machte aufmerksam auf den römisch-kulturellen Hintergrund. 

Historisch schwierig wertet er Jesu Einzug als Friedenskönig. Pure Fakten gebe es nicht, die chaotisch verlaufenden Ereignisseseien später in einen geordneten Zusammenhang gebracht worden, sie finden sich in allen Evangelien gleich. Was Deutung sei, was Geschehen, sei schwerlich erkennbar. 

Provoziertes Todesurteil

Bei der Verurteilung Jesu waren zwei Instanzen beteiligt. Den Juden war nicht gestattet, ein Todesurteil zu fällen. Das war dem römischen Statthalter vorbehalten, der es zur Abschreckung nutzte. Ob ein jüdisches Vorverhör stattgefunden hat, ist nicht eindeutig zu belegen. Doch sei in den Darstellungen erkennbar, dass sie die römische Seite ent- und die jüdische belasteten, führte Ebner aus. Jesu Aussagen beim Verhör wertete er als „elaboriertes Glaubensbekenntnis“. Für die Juden seien seine Behauptungen, den Tempel niederzureißen und wiederaufzubauen sowie Sohn des Höchsten zu sein, unerträglich gewesen. Sie hätten ihn hingerichtet sehen wollen, deshalb die Auslieferung an Pilatus, der dazu beitragen sollte, sich des „Königs der Juden“ zu entledigen.

Der Referent warb um Verständnis für das „Ausreißen“ der Jünger: Weil es offensichtlich gewesen sei, dass ein Aufständischer nicht alleine unterwegs ist, seien seine Anhänger ebenfalls in Lebensgefahr gewesen, einzig Petrus habe sich in den Hof des Hohenpriesters gewagt. Während aber Jesus trotz des ihm drohenden Unheils freimütig beim Verhör bekennt, leugnet Petrus aus Angst.

Der Vorgang der Kreuzigung wird nirgends vollständig erzählt. „Wir finden nur Splitter“, so Ebner, Augenzeugenberichte Fehlanzeige. Der Referent nannte die Art der Berichterstattung „geliehene Sprache“. Man nutzte die Aussagen des Psalms 22, um in einer sprachlos machenden Situation sprachfähig zu werden, und legte sie den Hohepriestern und Jesus als letzte Worte in den Mund. Die Kreuzigung Jesu vor Augen, beten seine enttäuschten Anhänger die Klageworte des Psalms. Das heiße, schloss Ebner daraus, sie hätten ihr Gottvertrauen nicht verloren.

Den Lukas-Text wertete der Referent das erste erzählte Passions-Schauspiel. Bedeutsam sei der Verweis auf den Lanzenstich, nach dem aus Jesu Seite Blut und Wasser herausflossen. Dies sei wichtig für die Gemeinde gewesen, um Jesus als wahren Gott und Mensch zu bezeugen. Sein lautes Schreien, bevor er den Geist aushauchte – medizinisch bei einem Sterbenden am Kreuz nicht zu belegen – stehe für Inständigkeit. Eingebaute apokalyptische Motive wie Finsternis, Erdbeben oder offene Gräber, seien als Signale für die von Gott geplante Zeitenwende zu begreifen und sollten dokumentieren, dass alles so sein musste. Wer das verstanden habe, für den sei der große Traum Jesu von der Gottesherrschaft nicht geplatzt, so Ebner. Die Botschaft: Wer lebt wie Jesus, kann ein Stückweit Veränderung erreichen, kann aber auch unter die Räder kommen. Die Texte vom Leben und Sterben Jesu beinhalteten Vorbilder für Nachfolge: sein Kreuz aufnehmen, anpacken – wie Simon von Cyrene. Tröstlich: Wenn man sich nicht traut oder versagt, bekommt man eine zweite Chance – wie Petrus. 

Ulrike Pilz-Dertwinkel / gg


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