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10.05.2023

„Herbst des Barock“ lockt im Sommer

Neue Sonderausstellung im Domschatz- und Diözesanmuseum

Zwei „Trösterlein“ aus dem Kloster St. Walburg. Einst bekamen Novizinnen die Jesus-Figuren geschenkt und bewahrten sie in ihrer Zelle auf. Foto: Franzetti

Aus dem Bischöflichen Palais, aus Zellen der Benediktinerinnenabtei St. Walburg, aus der Sammlung des Priesterseminars und auch aus den Beständen des Historischen Vereins Eichstätt (siehe Beitrag S. 5) stammen die Exponate, die derzeit im Domschatz- und Diözesanmuseum in Eichstätt zu sehen sind. Noch bis Ende Oktober läuft dort die Sonderausstellung „Im Herbst des Barock. Eichstätts Kultur, Kunst und Handwerk des 18. Jahrhunderts“.

Über 100 Exponate

Viele der über 100 gezeigten Gegenstände und Bilder sind zum ersten Mal überhaupt öffentlich zu sehen, darunter ein historisches Modell für das Gerüst zum Aufbau der Mariensäule auf dem Eichstätter Residenzplatz. Die frisch restaurierte Konstruktion ist knapp einen Meter hoch. Hofbaumeister Maurizio Pedetti fertige damals detaillierte Planungen für das Gerüst samt Kostenvoranschlag und Listen der benötigten Materialien. Beim Aufstellen der Säule kamen Flaschenzüge zum Einsatz. Ein Exemplar aus dem Jahr 1779 findet sich in einer Vitrine neben dem Baugerüst. Dort liegen auch Senkbleie, die bei Ausgrabungen auf dem Residenzplatz zu Tage kamen sowie ein Zirkel. Mit einem solchen in der Hand ist Gabriel de Gabrieli, Hofbaudirektor der Eichstätter Fürstbischöfe zwischen 1714-47, auf einem Gemälde zu sehen. Es zeigt ihn in jungen Jahren, als er noch in Wien tätig war. Das Gemälde daneben zeigt seine erste Ehefrau Giovanna Marta Tini und Sohn Adam Emanuel im Alter von knapp einem Jahr. Tini war 1715 bei der Geburt Adam Emanuels verstorben. Auf dem Bild trennt sie symbolisch ein schwarzer Vorhang von ihrem Sohn. Traurig aber auch liebevoll blickt sie auf ihr Kind.

Bei Recherchen zur letzten Sonderausstellung zum Maler Johann Chrysostomus Winck hatte Dr. Claudia Grund, Leiterin des Diözesanmuseums, festgestellt: Es gibt in Eichstätt einen großen Bestand an Kunst und Kunsthandwerk aus der Zeit des Barock, verteilt auf viele verschiedene Sammlungen, Archive, Depots und Lager. Bis auf eine Ausnahme sind in der Sonderausstellung alle Exponate direkt aus Eichstätt, viele davon aus dem Fundus des Diözesanmuseums, den Grund mit betreut, andere aus der Kunsthistorischen Sammlung des Priesterseminars. Diese betreut Grunds Kollegin Katharina Hupp. Die beiden Kunsthistorikerinnen fragten auch beim Historischen Verein nach Leihgaben und stießen dort auf offen Ohren. Der Verein steuerte unter anderem eine mehr als zwei Meter hohe Bodenstanduhr zur Ausstellung bei. Das Uhrwerk stammt vom Eichstätter Uhrenmacher Matthias Hitzelsperger, der Schreiner ist unbekannt. Die Uhr hatte der Historische Verein erst vor kurzem mit Unterstützung der Stadt Eichstätt, der Sparkasse Ingolstadt-Eichstätt und des Fördervereins Stadtmuseum gekauft. Sie kam gut verpackt direkt vom Verkäufer in die Räume des Diözesanmuseums, erzählt Grund beim Presserundgang.

Kurios ist auch die Geschichte hinter einer Klosterarbeit, die in der Ausstellung hängt. Wie Grund berichtet, sei in der Fernsehsendung „Kunst und Krempel“ eine Darstellung des heiligen Pierre Fourier vorgestellt worden. Mehrere Eichstätter hätten sie daraufhin angerufen und erklärt: der Heilige ist vor den Gebäuden des Eichstätter Klosters Notre Dame du Sacré Coeur abgebildet. Grund nahm daraufhin Kontakt zu den Besitzern auf, die nicht in Eichstätt wohnen. Für die Dauer der Sonderausstellung stellten sie die Hinterglasmalerei in Églomisé-Technik zur Verfügung.

Beeindruckend sind auch andere Klosterarbeiten in der Ausstellung, darunter zwei Trösterlein-Figuren. Das Kloster St. Walburg stellte sie zur Verfügung. Solche Jesus-Darstellungen erhielten junge Novizinnen früher beim Eintritt ins Kloster. Sie sollten ihnen in der Abgeschiedenheit der klösterlichen Welt Trost spenden.

Hof als Auftraggeber

„Im Herbst des Barock“ will die ganze Bandbreite der vielfältigen Kunstproduktion der Zeit zeigen. Eichstätt blühte damals auf, Fürstbischof, Domherren, die Klöster und wohlhabende Bürger sorgten bei Architekten,
Uhrmachern, Malern für Aufträge. Die Sonderausstellung gewährt Einblicke in all diese Bereiche, stellt bedeutende Menschen dieser Zeit vor und zeigt die Arbeiten von Hofbildhauern und Hofmusikanten, von Schreinern, Gold- und Silberschmieden.

Von Hofbaumeister Maurizio Pedetti ist übrigens nicht nur das Miniatur-Baugerüst zu sehen, sondern auch ein Stuhl, der heute im Bischofshaus aufbewahrt wird. Pedetti hatte damals den Auftrag, die fürstbischöfliche Residenz mit Möbeln auszustatten. Ebenfalls aus der bischöflichen Sammlung stammt ein Tafelaufsatz, der gleich zu Beginn des Rundgangs ins Auge fällt. Die Eichstätter Diözesanheiligen sind dort dargestellt.

Zwar gibt es keinen eigenen Katalog, aber alle ausgestellten Objekte sind mit kleinen Text-Tafeln versehen. Zuvor wird jeder Ausstellungs-Abschnitt mit großen Bannern eingeläutet. Dort findet sich eine generelle Übersicht, eine Einordnung der verschiedenen Abschnitte, darunter „Meisterwerke der Uhrmacherkunst“, „Hofmusik auf hohem Niveau“ oder „Kirchenfest, Prozession und Wallfahrt“.

Da das Diözesanmuseum keinen eigenen Raum für Sonderausstellungen besitzt, sind alle Objekte in die Dauerausstellung integriert. Einige der schon bisher gezeigten Stücke sind – mit neuen Hinweisen versehen – Teil von „Im Herbst des Barock“. Fast komplett neu bestückt ist die „Schatzkammer“ des Museums. Wo sonst prächtige Monstranzen zu finden waren, stehen jetzt Uhren, darunter filigrane Exemplare mit Weckerfunktion. Vorerst noch bis zur Willibaldswoche dort zu sehen ist auch die Schädel-Reliquie des heiligen Willibald.

Die Sonderausstellung bietet Frommes und Weltliches, zeigt kleine Behälter fürs Walburgis-Öl, einen Rosenkranz aus Knochen, aber auch Waffen und Möbel. Eine wunderbare Vielfalt.

Andrea Franzetti

 

Das Diözesanmuseum ist von Mittwoch bis Sonntag täglich zwischen 10.30 und 17 Uhr geöffnet. Weitere Info unter dioezesanmuseum-eichstaett.de.

 


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