Immer an der Seite der Soldaten
Als der Krieg Russlands gegen die Ukraine begann, war Dr. Petro Stanko gerade in Litauen: Unweit der Grenze zu Belarus war der Ingolstädter katholische Militärpfarrer über anderthalb Monate lang im Auslandseinsatz mit der Bundeswehr. Die Angriffe „haben die Soldaten unheimlich betroffen gemacht“. Er habe deutlich mehr seelsorgliche Gespräche geführt und in der Kapelle seien mehr Soldaten gewesen als sonst. In den Fürbitten sei das Thema „Frieden“ stärker aufgenommen worden und die Momente der Stille seien „viel länger gewesen“ als üblich. „Ich habe auch gesehen, dass die Soldaten öfter mit ihren Angehörigen telefoniert haben“, sagt Stanko. In solch belastenden Situationen, aber auch im Kasernenalltag sind Militärseelsorger gefragt.
Auch für Angehörige da
Ein Krieg ist nach den Worten des katholischen Militärbischofs Franz-Josef Overbeck niemals gerecht. „Frieden ist ein Werk der Gerechtigkeit“, sagte der Bischof von Essen in einem Interview der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“. Das beschäftigt auch Stanko, der wie Iurii Kuliievych aus der Ukraine stammt. Beide sind Priester der Ukrainisch Griechisch-Katholischen Kirche und haben ihren Dienstsitz im Gebiet des Bistums Eichstätt: Stanko in der Pionierkaserne in Ingolstadt, Kuliievych in der Otto-Lilienthal-Kaserne in Roth.
Als Student im Eichstätter Collegium Orientale hatte Stanko erste Kontakte zur Militärseelsorge: Sein Heimatbischof in der Ukraine war dort Militärbischof. Immer wieder führten ihn Dienstreisen nach Deutschland, unter anderem ins Katholische Militärbischofsamt in Berlin. Stanko fuhr als Dolmetscher mit. 2015 wurde er dann selbst freigestellt für den Dienst in der deutschen Militärseelsorge. Seine Zugehörigkeit zur Ukrainisch Griechisch-Katholischen Kirche und die Tatsache, dass er verheiratet ist und Kinder hat, spiele im Alltag keine Rolle. „Die Soldaten suchen nach geschulten Seelsorgern, nach Begleitern, die ihnen entgegenkommen“, sagt Stanko. „Da muss man authentisch sein“, dann werde man angenommen von der Truppe.
Zu seinen Aufgaben gehört auch die Betreuung der Soldatenfamilien. Für sie gibt es regelmäßig Familienwochenenden: Dann wird gewandert, gebastelt und auch Gottesdienst gefeiert. So entstehen Kontakte, manchmal Freundschaften. Auch wenn sie schon lange aus dem aktiven Dienst ausgeschieden sind, fühlen sich Soldatinnen und Soldaten der Kirche noch verbunden. Manche hätten im Testament oder im Gespräch mit dem Partner festgehalten, dass sie von einem Militärpfarrer beerdigt werden wollen, berichtet Stanko.
Gesprächspartner
In seinem Pfarrbüro in Roth hängt eine Jacke in Flecktarn. Wenn Iurii Kuliievych Soldatinnen und Soldaten ins Manöver begleitet, nutzt er sie als Schutzkleidung. Ansonsten ist der 38-Jährige zivil gekleidet. Als Militärpfarrer hat er keinen Dienstgrad bei der Bundeswehr. Das Büro ist auf dem gleichen Flur wie das seines evangelischen Kollegen. Ökumene wird in der Militärseelsorge großgeschrieben. An den meisten Standorten sind beide Konfessionen vertreten. Seit gut einem Jahr gibt es auch Militärrabbiner. In gut zwei Wochen wird der Münchner Rabbiner in Ingolstadt erwartet.
Gleich im ersten Dienstjahr 2017 nahm Kuliievych an der großen internationalen Soldatenwallfahrt nach Lourdes teil. Ein „sehr spannender Austausch“, sagt der Militärpfarrer. Von sechs Soldaten, die er direkt begleitete, seien vier ohne Glaubensbekenntnis gewesen. Sie hätten aber bewusst den Kontakt zur Kirche gesucht. Überhaupt habe er viel mit konfessionslosen Menschen zu tun. In den Gesprächen die er führe, gehe es auch mehr um Psychologie als Theologie, erklärt Kuliievych. Er erlebe viele Soldaten, die unter Zeitdruck stünden oder die, gerade bei Auslandseinsätzen, „sich selbst noch nicht gefunden haben“, mit ihrer Situation nicht zurechtkämen.
Im vorigen Jahr war der Rother Militärpfarrer drei Monate mit der Truppe in Litauen. „Da bist du jeden Tag gefragt“, blickt er zurück, egal ob im In- oder Ausland. „Der Pfarrer ist derjenige, der nicht in seinem Büro hockt, sondern bei der Truppe ist“, gibt Kuliievych zu Protokoll. Er müsse „hellhörig“ sein und erkennen, wenn Hilfe nötig ist. Immer wieder rede er mit Soldaten, die er danach an Psychologen weiterverweist. Alle Militärpfarrer sind auch Teil des „Psychosozialen Netzwerks“, das fachliche Unterstützung für belastete Soldaten bietet.
Ethik im Unterricht
Von seiner Zusatzausbildung zum Therapeuten für Psychotraumatologie profitiert Dr. Dr. Michael Gmelch immer wieder. Der Priester aus Schwabach wechselte vor 13 Jahren aus dem Dienst der Diözese in die Militärseelsorge. Jetzt, zum Ende seiner Dienstzeit dort, blickt er auf zahlreiche Auslandseinsätze in Jordanien, Zypern oder im Libanon zurück, sowie auf Fahrten mit Schiffen der Marine zur Flüchtlingsrettung im Mittelmeer. Hinzu kommen Lehr- und Dozententätigkeiten, unter anderem an der Offiziersschule der Marine in Flensburg sowie zuletzt an der Universität der Bundeswehr in München. „Lebenskundlicher Unterricht“ (LKU) nennt sich ein wichtiger Baustein in der Arbeit der Militärseelsorger. Er ist verpflichtend für alle Soldatinnen und Soldaten und kein Religionsunterricht, sondern er wird definiert als „eine berufsethische Qualifizierungsmaßnahme“. Die Militärseelsorger beschäftigen sich dabei mit den Soldaten mit Themen wie „Tod und Verwundung“, „Interkulturelle Kompetenz“ oder „Selbst- und Lebensführung“. Einige Tausend Soldaten hat Gmelch in seiner Dienstzeit unterrichtet, auch an Bord des Segelschulschiffs „Gorch Fock“. Im Laufe der Jahre organisierte er zudem immer wieder Studienreisen und brachte die Soldaten nach Istanbul (zum Thema „Islam“), nach Santiago de Compostela („Pilgern“), oder nach Armenien („Christentum“). Die einwöchigen
Fahrten seien „Intensivveranstaltungen“ mit vollem Programm und mit einer „großen Chance“, Leute zu erreichen, die mit Kirche und Religion eher weniger zu tun haben, zieht Gmelch Bilanz. Die Reisen nennt er ein „tolles Mittel“ und niederschwelliges Angebot, das diese Art von Kategorialseelsorge bietet. Bei der ganzen Arbeit in der Militärseelsorge gehe es für ihn darum, „althergebrachte Klischees über Pfarrer und Kirche zu korrigieren“. Wenn die Soldaten merken, „der Pfarrer macht mehr als nur Beten“, könne dies gelingen, glaubt Gmelch.
Andrea Franzetti
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