Neue Zuversicht statt Zerstreuung
Dem Begriff „Bonifatiuswerk“ begegnen viele Katholiken schon in jungen Jahren, wenn sie ihre Erstkommunion- oder Firm-Opfertüte ausgeteilt bekommen. Oder wenn sie am 6. Dezember einen der fair gehandelten Schoko-Nikoläuse geschenkt bekommen, die das Bonifatiuswerk seit Jahren deutschlandweit zugunsten sozialer Projekte vertreibt. Aber auch kurz vor dem Advent steht das Hilfswerk im Blickpunkt: Seit 57 Jahren macht es jeden November mit der Diaspora-Aktion auf die Herausforderungen katholischer Christen aufmerksam, die als Minderheit in der Gesellschaft ihren Glauben leben. Für sie wird am „Diaspora-Sonntag“ bundesweit in den Gottesdiensten gesammelt. Bundesweite Eröffnung der Aktion 2023 ist diesen Sonntag, 5. November, im Erzbistum Berlin. Das Bonifatiuswerk mit Hauptsitz in Paderborn hat, was viele gar nicht wissen, Ableger in allen 27 deutschen Bistümern. Auch in Eichstätt gibt es ein Diözesanes Bonifatiuswerk.
Von dessen Neugründung hatte die Diözese 2019 berichtet. Tatsächlich sei es damals aber eher eine Neurorientierung gewesen, meint der Vorsitzende im Bistum, Dompropst Alfred Rottler, denn das Diözesane Bonifatiuswerk habe es längst gegeben. Er holt zum Beweis einige Ordner aus den Regalen seines Büros: Hier ein Schreiben von 1959, dort eines von 1953, „und das geht sicher noch weiter zurück“, ist Rottler sicher. Aus alten Quellen geht nämlich auch hervor, dass der Eichstätter Diözesanpriester Alois Maria Mauderer schon 1928 Landessekretär des Bonifatiusvereins für Bayern und Würzburg war. Mauderer, der später unter anderem Pfarrer in Gerolfing war, verstarb 1985. In früheren Jahrzehnten sei das Amt des Bonifatiuswerks-Vorsitzenden im Bistum in der Bischöflichen Finanzkammer verortet gewesen, blickt Rottler zurück. „Denn da standen gerade in den Diasporagebieten viele Kirchen-Neubauten an“, verweist er beispielsweise auf Neuendettelsau, Sachsen-Lichtenau oder Pommelsbrunn. Dafür habe es auch Zuschüsse vom Bonifatiuswerk gegeben. Heute dagegen werde zum einen kaum noch gebaut, zum anderen sei zur Hilfe für die weit auseinander lebenden Katholiken – Diaspora kommt aus dem Altgriechischen und heißt übersetzt „Zerstreuung“ – noch ein weiterer Aspekt gekommen: Die Glaubenshilfe und -vertiefung in der säkularen Gesellschaft. Neben den beiden traditionellen Schwerpunkten des Hilfswerks, Bauhilfe und „Bewegungshilfe“ zur Überbrückung großer Distanzen sei die Glaubenshilfe „jetzt natürlich überall relevant“, weiß Rottler und freut sich, dass unter den missionarisch-innovativen Projekten, die das Bonifatiuswerk fördert, auch eines in Postbauer-Heng und damit im Bistum Eichstätt ist (siehe Beitrag auf S. 5).
„Sehr inspirierend“
Dompropst Rottler, heute Caritas-Präses, „erbte“ im Herbst 2014, als amtierender Leiter des Bischöflichen Seelsorgeamts, den Vorsitz des Diözesanen Bonifatiuswerks, das derzeit rund 100 überwiegend ältere Mitglieder zählt, die alle zentral in Paderborn gemeldet sind und den Jahresbeitrag von rund 20 Euro entrichten. Was für eine Mitgliedschaft spricht, sind für Rottler, „tolle Materialien mit wertvollen Impulsen fürs Glaubensleben“. Sie könnten eine Hilfe sein beim Ausschau halten nach stärkenden Momenten im Glauben und Leben. „Sehr inspirierend“ und passend gewählt sei das diesjährige Motto der Diaspora-Aktion: „Entdecke, wer dich stärkt“. Das Diözesane Bonifatiuswerk wolle diese Ausschau nach zarten Pflänzchen des Glaubens-Wachstums unterstützen:„Insofern passen wir auch gut zum derzeitigen diözesanen Strategieprozess“.
Seit geraumer Zeit gibt es einen diözesanen Eröffnungsgottesdienst zur Diaspora-Aktion. Nicht nur in klassischen Diasporagebieten, sondern quer durch die Regionen des Bistums. Vergangenen Herbst präsentierte sich das Diözesane Bonifatiuswerk im Rahmen eines Sonntagsgottesdienstes in Weißenburg, nächstes Jahr, so steht bereits fest, soll es in den Süden der Diözese, nach Gaimersheim, gehen. Heuer findet die Eröffnung am 12. November in Nürnberg-Reichelsdorf statt. Im Sonntagsgottesdienst um 10.15 Uhr mit Pfarrer Edmund Wolfsteiner wird Dompropst Rottler die Predigt halten. Nach der Heiligen Messe sind alle Interessierten zum Austausch ins Pfarrheim eingeladen.
Rottler holt ein großes Roll-up-Banner aus dem Schrank und baut es routiniert mit wenigen Handgriffen auf. „Glaube – Liebe – Hoffnung“ steht auf dem Plakat, das bei den Gottesdiensten oder bei der jährlichen Mitgliederversammlung dabei ist. Längst wirbt der Dompropst nicht mehr allein für die Anliegen des Diözesanen Bonifatiuswerks. Bald nach seinem Amtsantritt holte er sich Dr. Markus Oelsmann, Referent für Grundsatzfragen und Kirchenentwicklung im Bischöflichen Ordinariat, ins Boot. Oelsmann führt auch die Geschäfte des 2019 gegründeten Sprecherrats des Diözesanen Bonifatiuswerks, dem außerdem Carolin Kissling aus Pollenfeld, der Velburger Franz Kastner und der Ettinger Pfarrer Reinhard Förster angehören. Gemeinsam hat sich das Team auf die Fahnen geschrieben, „Räume des Glaubens zu eröffnen, um eine Gestalt von Kirche einzuüben, die an die Anfänge der Kirche erinnert und das Kirche-sein in der Diaspora ermöglicht“, wie im Internet unter www.bistum-eichstaett.de/glaube-leben/ nachzulesen ist.
Daraus wiederum ist das Projekt „Kirche im Keller“ entstanden, das im Dezember 2022 begann und diesen Sonntag mit dem siebten Treffen vorerst endet. „Keller“, das bezog sich nicht allein auf den Namen des Lokals in Greding, in dem die Reihe angeboten wurde. Vielmehr sollte der Slogan auch signalisieren, dass die Kirche heraus muss aus dem Keller, aus der Krise. Dass sie einen Neuanfang braucht. Was die Teilnehmenden erwartete, war ein Bibelkreis, der das jeweilige Sonntagsevangelium in die Mitte stellte und sich dabei an einem Wort vom Frère Roger Schütz, Gründer der Gemeinschaft von Taizé, orientierte: „Lebe, was du vom Evangelium verstanden hast und sei es noch so wenig. Aber lebe es.“
Heraus aus dem Dunkel
Manchmal seien zu dem kleinen Kreis, der sich gebildet hatte, auch Neue hinzugekommen, erzählt Carolin Kissling, die im Gredinger Caritas-Seniorenheim als Betreuungskraft und Seelsorgebeauftragte arbeitet. „Es gehört Mut dazu, neu dazuzustoßen“, meint sie im Gespräch mit der KiZ und verrät dabei auch: „Es soll weitergehen. Auch im nächsten Kirchenjahr. Zu sehr hat sich diese Gemeinschaft vertieft. Es werden verschiedene Orte sein.“ Und es werde auf Wunsch der Beteiligten einen neuen Namen geben: Nicht mehr Kirche im Keller, „sondern Kirche im Freien, Kirche im Grünen“.
Kissling gibt auf Nachfrage gerne Auskunft, wie es zu ihrem Engagement für das Diözesane Bonifatiuswerk kam: „Ich interessiere mich schon seit Jahren dafür, wie Gemeinschaft entsteht, wie viel an Gemeinschaft der Glauben braucht und was im Zentrum einer noch so kleinen Gemeinschaft steht. Wie geht das, wenn eine Gemeinschaft aus dem Evangelium heraus wachsen und sich weiterentwickeln will? Das habe ich immer wieder im Kontakt mit verschiedenen kleinen Gemeinschaften erfahren dürfen, mit Kirche in der Nachbarschaft, mit Menschen, die sich neu bewegen ließen bei, Workshops und Studienreisen, unter anderem auf die Philippinen und mit dem Bonifatiuswerk nach Schweden. Besonders auch im Sachausschuss ‚Pastorale Entwicklung‘ des Diözesanrates.“
Die Kluft zwischen Leben und Glauben „scheint immer größer zu werden“, stellt Kissling fest und schickt hinterher: „Ich glaube, wir brauchen weiter ein Wachstum des hörenden Herzens, was Gott uns sagen möchte.“ Ein Hören, wie Kissling es in den vergangenen Tagen auch auf der Weltbischofssynode erkannte. „Unsere Sinne werden im Alltag zugemüllt“, bedauert Franz Kastner, der sich, wie Kissling, im Sprecherrat des Diözesanen Bonifatiuswerks engagiert. Diaspora, „das war in unserer katholischen Pfarrei kein Thema“, erinnert sich der 70-Jährige, der im tiefkatholischen Lengenfeld bei Velburg als Wagnerssohn aufgewachsen ist, gleich neben dem Benefiziatenhaus. Der heutige Eichstätter Domkapitular Josef Blomenhofer war sein Nachbar und Jugendfreund. Kastner wurde Elektriker, war als Planer für ein Ingenieurbüro viel unterwegs. Beruflicher Erfolg, Haus, Familie – irgendwann beschloss er, sich auch für die Kirche wieder mehr Zeit zu nehmen. Und, so lacht er, ehe er sich’s versah, sei er Kirchenpfleger geworden. Seit 1995 übt er dieses Amt schon aus. Irgendwann traf er bei einer Info-Veranstaltung Oelsmann, der ihn zu einem Bibelkreis-Treffen einlud, „und da war auch der Alfred Rottler“. Zu „Kirche im Keller“ in Greding ist Kastner deshalb so gern gefahren, „weil es ein Kreis ist, wo wirklich Jesus in der Mitte ist“. Eine Mitte, „die wir gerade verlieren“, meint er mit Blick auf Stress, Optimierungswahn, Konsum, dem man in der modernen Welt aus freien Stücken nachjage, während man die Freiheit links liegen lasse, die Jesus gibt. Sie zu entdecken, dazu will Kastner durch sein Engagement beim Bonifatiuswerk beitragen. Bezeichnet es sich selbst doch als „Hilfswerk für den Glauben“.
Gabi Gess
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