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07.06.2023

„Wir sind katholisch – und weltoffen“

Fragen an die kirchlichen Jugendverbände im Bistum Eichstätt

Kleiner Verband mit großer Geschichte: Die CAJ im Bistum, die nur noch punktuell existiert. Hier die frischgewählte Diözesanleitung mit Referent Steffen Bremmert (l.) und Diözesankaplan Edward Kabba (v., l.). Foto: vb

Würden die kirchlichen Jugendverbände im Bistum gerade eine große Mitglieder-Werbung starten, dann könnten sie dafür gut einen Satz von Max Stadlmeier verwenden. Kurz vor seinem Abschied aus dem Diözesanvorstands-Team der Katholischen Landjugendbewegung (KLJB) im Bistum Eichstätt bilanzierte er: „Ich darf auf eine Zeit zurückblicken, in der ich Freunde fürs Leben, Erfahrungen für die Zukunft und Erinnerungen für ruhige Momente sammeln konnte. Für nichts in der Welt möchte ich das hergeben!“

Solch gute Erfahrungen sind auch den Jugendlichen zu wünschen, die in Oening (Dekanat Neumarkt) gerade eine neue KLJB-Ortsgruppe gebildet haben (siehe eigener Beitrag auf S. 6). Die Neugründung, wie sie in der kirchlichen Jugendverbandsarbeit heute Seltenheitswert hat, war für die KiZ Anlass, bei den Verbänden innerhalb des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) einmal nachzufragen: Wie entwickeln sich die Mitgliedszahlen bei Euch? Womit beschäftigt ihr euch inhaltlich gerade? Von fünf Verbänden – KLJB, Christliche Arbeiterjugend (CAJ) Kolpingjugend, Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG) und Katholische Junge Gemeinde (KjG) – haben wir interessante Antworten bekommen.

„Dann kam Corona“

Für die KLJB antwortete ihr hauptamtlicher Bildungsreferent Timo Reil auf die Fragen der KiZ.  Seit vier Jahren arbeitet er für den Verband, der laut einer 15-Jahres-Statistik seine Mitgliederzahlen zwischen 2008 und 2022 stets über 2.000 halten konnte. Der höchste Wert, 2018, liegt bei 2.295 Mitgliedern. „Und dann kam halt Corona und damit leichte Einbrüche“, spricht Reil auch für andere Jugendverbände im Bistum. Von A wie Amerbach bis W wie Wolfsfeld zählt die KLJB im Bistum derzeit 60 Ortsgruppen. „Hochburgen“ seien der Neumarkter und Oberpfälzer Raum und das Altdekanat Wemding, berichtet er. Es gibt Ortsgruppen, deren Mitgliederzahl konstant über 100 liegt. Andere zählen nur 20, 30 Mitglieder, stellen vor Ort aber trotzdem viel auf die Beine. Und dann gebe es natürlich auch Ortsgruppen, deren letzte verbliebenen Mitglieder jenseits der 40 seien und die dann aufhörten, weiß Reil: „Umso schöner ist es, dass sich jetzt die neue Orts.gruppe Oening/Raitenbuch gebildet hat“. Er weiß es auch zu schätzen, dass die jungen Leute nicht als „graue“, freischwebende Landjugend unterwegs sein wollen, sondern bewusst bürokratische Hürden überwunden haben, um offiziell in die Diözesan-Struktur der KLJB eingebunden zu sein. Das heiße zum Beispiel nicht nur, eine Satzung mit Vereinszweck zu beschließen, sondern auch mit dem Wahlprotokoll der Gründungsversammlung zur Bank zu gehen und ein Vereinskonto zu eröffnen.

Als Teil des Diözesanverbands können sich die Mitglieder der neuen Gruppe nun auch für die im Herbst geplante Studienreise der KLJB nach Slowenien anmelden oder bei den Jahresprojekten mitmischen. Letztere mitzuplanen und mit Rat und Tat zu begleiten, darin sieht Reil, der zugleich Referent an der Jugendstelle Weißenburg ist, auch die Notwendigkeit Hauptamtlicher in den kirchlichen Jugendverbänden.

Ehrenamtliche für Leitungsämter zu gewinnen, wird gleichzeitig immer mehr zur Herausforderung. „Für zwei Diözesanvorstände, die bei der jüngsten Vollversammlung verabschiedet wurden, konnten keine neuen Bewerberinnen oder Bewerber gefunden werden“, berichtet Reil. „Die, die in Frage kommen, haben meist gefühlt schon drei weitere Vorstandsposten“, weiß er, „von Feuerwehr bis Gardetanz“.

Sich neu erfinden

Nahezu identisch formuliert es Steffen Bremmert, Referent an der Katholischen Jugendstelle Eglasmühle und hauptamtlicher Ansprechpartner der Christlichen Arbeiterjugend. Die CAJ, sie hat glanzvolle Zeiten erlebt im Bistum Eichstätt der Wirtschaftswunder-Ära. Noch in den 1970er-Jahren zählte sie 800 Mitglieder in der Diözese. Außenwirkung entfaltete sie bis vor etwa zehn Jahren mit Info-Abenden für Schüler, bei denen junge CAJ-ler in die Rolle von Berufsberatern schlüpften und über ihre Ausbildung erzählten. Heute hat die CAJ im Bistum noch 190 zahlende Mitglieder, weiß Bremmert: „Die Ortsgruppenstruktur gibt es gar nicht mehr, sie wurde nach einer großen Satzungsänderung aufgelöst.“ 2018 stand der Jugendverband kurz vor der Auflösung, als das einzig verbliebene ehrenamtliche Diözesanvorstandsmitglied nach Amerika auswanderte. Bremmert hielt die Stellung und überwand die Durststrecke schließlich mit Hilfe der aktiven CAJ-Gruppe Berngau, die heute quasi auch den Diözesanverband bildet und zugleich den kompletten Vorstand stellt. Sehr aktiv waren die Berngauer 2018 bei der 72-Stunden-Aktion des BDKJ und freuen sich schon auf die Neuauflage 2024. Während Corona übernahmen sie Livestreams von Gottesdiensten. Die CAJ, „lebt stark vom Tun“, beschreibt der Referent „seine“ Jugendlichen, die er – auch in einer Zeit, in der Kirche überaus kritisch wahrgenommen wird – noch als regelmäßige Kirchgänger kennt. Der Gemeinschaft dienen heuer eine Wanderung und eine „Fahrt ins Blaue“, die auf dem Programm stehen. Zugleich wünscht Bremmert der CAJ „den Mut, das Gemütliche ein bisschen zu verlassen“. So wie etwa die CAJ im Erzbistum München-Freising“, die sich „komplett neu erfunden“ habe und gezielt auf Jugendliche ohne Schulabschluss und in prekärer Lage zugehe. Positiv hebt er hervor, dass die Eichstätter bayernweite CAJ-Themen mittragen und aufgreifen, wie etwa die Image-Verbesserung der Mittelschule oder die stärkere Anerkennung ehrenamtlicher Arbeit durch Gesellschaft und Politik.

Versuch, gehör zu finden

Über die KjG anno 2023 informiert deren ehrenamtlicher Diözesanleiter Tim Seidler. Ihm zufolge zählt der Jugendverband im Bistum derzeit 300 zahlende Mitglieder. Erreicht würden durch die Arbeit der KjG aber weit mehr junge Leute, zum Beispiel bei verschiedenen Aktionen für Kinder. Früher bistumsweit vertreten, zählt der 1970 gegründete Verband heute noch sieben Orts- oder Pfarrgruppen, allesamt im Raum Nürnberg.

„Wir haben als Diözesanverband kein spezielles Jahresthema“, berichtet Seidler. „Allerdings gibt es natürlich durch unsere Arbeit oder auch die Einbindung in den Bundesverband Themen die uns sehr bewegen. So sind wir gerade im Themenfeld Nachhaltigkeit und Bewahrung der Schöpfung dabei, ein Nachhaltigkeitskonzept zu erstellen. Beim Thema Spiritualität beschäftigen wir uns mit vielfältigen Gottesbildern.

Auf die kirchliche „Großwetterlage“, die Negativschlagzeilen der Kirche angesprochen, bestätigt Seidler, dass dies auch  die KjG sehr beschäftige. „Und da versuchen wir natürlich als progressiver Verband gehört zu werden, sei es über die Gremien im Bistum, im BDKJ, oder über unsere Bundesebene. Hier sind wir auch gut vernetzt, zum Beispiel in den Synodalen Weg. Und natürlich hat das auch Einfluss auf unsere alltägliche Arbeit, allerdings in dem Sinne, dass wir oftmals noch der einzige Zugang von Kindern, aber auch unserer Leiterinnen und Leiter, zur Kirche sind, weil sie bei uns Spiritualität und Kirche erleben können, die sich um sie kümmert und versucht,  anzusprechen. Auch zum Thema Missbrauch versuchen wir die nächsten Schritte zu gehen.“ Präventionsmaßnahmen, hebt Seidler hervor, würden in seinem Verband schon seit Jahren auf Schulungen vermittelt.

Grundsätzlich positiv ist seine Antwort auf die Frage nach der Unterstützung durch das Bistum. Diese „ist natürlich da, zum Beispiel durch unsere tolle Verbandsreferentin und unsere Verwaltungsfachkraft oder die Räume unserer Diözesanstelle“.Bei BDKJ-Versammlungen spüre man auch Gesprächsbereitschaft der Verantwortlichen. Jedoch, so merkt er kritisch an, folgten „aus guten Worten nicht immer gute Taten“. So seien die Stunden für die geistliche Verbandsleitung gestrichen worden, „so dass das jetzt rein ehrenamtliche Arbeit ist“. Ein „Dauerbrenner“, den die KjG seit Jahren anspreche, seien auch die Preise im Jugendhaus Schloss Pfünz, die für kleine Jugend-Ortsgruppen manchmal kaum zu stemmen seien.

„Vor Ort, da läufts!“

Mehrere kirchliche Jugendverbände haben Pendants im Erwachsenenbereich. Bei der KLJB ist dies etwa die Landvolkbewegung (KLB). So ähnlich die Kernthemen auch sind, so habe es doch in letzter Zeit „keine besonderen Begegnungen mit der KLB gegeben“, heißt es selbst-kritisch im jüngsten Vorstandsbericht der KLJB. Ebenso trifft das Prädikat „stark ausbaufähig“ auf die Vernetzung zwischen der CAJ und ihrem „Erwachsenenverband“, der Katholischen ArbeitnehmerBewgung (KAB) zu.

Ganz anders sieht es dagegen bei Kolping aus. „Die Kolping-Jugendlichen sind vor Ort Teil der Kolpingsfamilien“, informiert Jugend- und Verbandsreferentin Christina Rixner. So finden sich Jugendgruppen in den vier Bezirken Roth, Neumarkt, Weißenburg und Beilngries mit ihren derzeit insgesamt 34 Kolpingsfamilien. Laut Stand vom 31. Dezember 2022 zählte die Kolpingjugend im Bistum 1.144 Mitglieder. Ihr bistumsweites Schwerpunktthema lautet heuer „Heimat im Ehrenamt“. Unter dem Motto „Jetzt seid ihr dran“ sollen das ganze Jahr über Impulse und Beiträge gesammelt werden.

Auf Eichstätter Bistumsgebiet, in Thalmässing, hätte just in diesen Tagen ein bayernweites Zeltlager der Kolpingjugend stattgefunden. Doch es musste abgesagt werden – zu wenige Anmeldungen. Kein Einzelfall, wie Rixner ehrlich zugibt. Nach Corona seien die Zahlen gesunken, „man kriegt aber auch keine Rückmeldungen, warum die Leute nicht kommen“. Wobei das die Diözesan-, nicht aber die Ortsebene betreffe. „Vor Ort, da läufts!“ Und auch zu den diözesanen Veranstaltungen hat sie noch eine positive Auskunft auf Lager: „Die Zeltlager, die laufen richtig gut!“

Die Frage der KiZ: „Fühlt ihr euch durch das Bistum gut unterstützt?“ hat Rixner an ihre Diözesanleitung weitergegeben – und eine eindeutige Antwort bekommen: „Unsere Kolping-Jugendlichen würden sich mehr Unterstützung und Wertschätzung gegenüber der Jugendverbandsarbeit wünschen.“

Mitgliederzahl stabil

Ein stattlicher Jugendverband war und ist die DPSG: Etwa 1.000 Pfadfinder gibt es im Bistum und „dieses Niveau halten wir schon seit langer Zeit konstant“, berichtet der Öffentlichkeitsreferent des Verbands, Matthias Platzek. Stämme der DPSG gibt es im ganzen Bistum, außer in den Dekanaten Nürnberg Süd, Herrieden und Habsberg. Mehrere Stämme gibt es im Stadtgebiet Ingolstadt sowie im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen. „Diese gute Verteilung freut uns sehr“, so Platzek. Jedoch habe auch sein Verband, „wie in der gesamten Jugendarbeit, Schwierigkeiten, die Leute für mehr Verantwortung im
Ehrenamt zu begeistern. Ehrenamt konkurriert immer häufiger mit Studium, Ausbildung, Partnerschaft und Privatleben. Dass beides gut zusammengeht und parallel funktionieren kann, davon müssen wir besser überzeugen“.

Was die inhaltliche Arbeit betrifft, so würden im Bistum die bundesweiten DPSG-Jahresaktionen aufgegriffen. Unter dem Motto „Hochspannend: Pfadfinden elektrisiert“ dreht sich das Schwerpunktthema heuer um elektrische Energie, Digitalisierung und die verschiedenen Formen von Energiegewinnung.

Aber auch der Missbrauchsskandal und die Spannungen in der Kirche gehen am Verband nicht vorbei. „Natürlich beschäftigt uns das“, sagt Platzek, „wobei wir immer noch Hoffnung haben, dass der Synodale Weg weiterhin zu einer besseren Kirche führen wird. Als Pfadfinder wissen wir genau, dass das nur in Gemeinschaft geht. Auch unser Verband will bei Aufarbeitung und Prävention sexueller Gewalt vorangehen. Unser Bundesverband will diesem Thema durch die Ausarbeitung einer eigenen Interventionsordnung begegnen.“ Zum Glück machten sich die Negativschlagzeilen nicht bei den Mitgliederzahlen bemerkbar: „Wir sind zwar ein katholischer Verband – aber eben nicht nur, sondern auch ein weltoffener Pfadfinderverband. Die Pfadfinderidee, die 1907 entstanden ist, begeistert immer noch sehr viele Kinder und Jugendliche in der ganzen Welt, völlig unabhängig von Sprache, Glaube, Sexualität, Herkunft oder Sprache. Es ist gut, dass das Bistum um den Stellenwert der ehrenamtlichen Jugendarbeit weiß. Die Pfadfinder von heute sind die Pfarrgemeinderäte und Lektoren von morgen. Dieses junge ehrenamtliche Engagement braucht durch die Strukturen des Bistums besondere Unterstützung.

Gabi Gess


Mehr zum Thema auf S. 6 in der aktuellen Kirchenzeitung Nr. 24 vom 11. Juni 2023


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