Serie: Lebensfragen - Lebenshilfe
Hoppla, wir sind zu dritt
I weiß, die Kinder können nerven, ich glaub, des is normal, manchmal bist ungerecht, des schaukelt si dann auf. Mei Unterstützung bleibt allein schon zeitlich minimal, und in der Hack‘n kriagst dann a no ane drauf“ – diese Worte eines Ehemannes an seine Frau in einem Lied der österreichischen Band STS regten mich dazu an, einige Gedanken zum anspruchsvollen Übergang von der Phase der Liebespaar-Zweisamkeit in die Familien- Dreisamkeit mit Kind vorzustellen. „Das erste Kind wird nicht selten zur Herausforderung für die Paarbeziehung“, schreibt die Familienforscherin Marina Rupp. „Alles“, so die Autorin, „dreht sich zunächst nur um den Nachwuchs. Eltern vergessen dabei schnell, dass auch ihre Beziehung zueinander Pflege braucht – ganz besonders, da sie jetzt neuen Belastungen ausgesetzt ist“. Lassen Sie mich kurz auf drei problematische Situationen eingehen, die in dieser spannenden Zeit entstehen können. 1. Der Mann hat, wie im Lied von STS geschildert, zu wenig Zeit für die Familie und beneidet eventuell sogar seine Frau, dass diese den ganzen Tag zu Hause bleiben kann. 2. Beide haben nicht selten zu wenig Schlaf und daher wenig Kraft, sich erfolgreich mit der neuen Situation auseinanderzusetzen. 3. Wenn die Partner sich nur noch als Eltern wahrnehmen, beispielsweise nur noch von Mutti und Vati sprechen, verkümmert ihre Beziehung leicht. Daher ist es nach Ansicht von Rupp kein Wunder, dass zahlreiche Untersuchungen darauf hinweisen, „dass die Partnerschaftszufriedenheit in der ersten Zeit der Familiengründung deutlich abnimmt“.
Gute Startbedingungen
Nach dem Übergang von der Partnerschaft zur Elternschaft ist das Paar gleichzeitig Architekt, Baumeister und Mitbewohner eines Hauses, das Familie genannt wird. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit, stelle ich Ihnen nun in Kurzform zehn gute Voraussetzungen für einen erfolgreichen Start in die Familienphase mit Kindern vor. 1. Stabile Beziehungen, in denen die Partner zufrieden sind und nicht mehr nach neuen Abenteuern suchen. 2. Ausreichende Ausstattung mit finanziellen Mitteln und Wohnraum. 3. Ein Freundeskreis, auf den man sich verlassen kann, oder auch Verwandte, die hin und wieder einmal einspringen. 4. Sich öfter auf den anderen als Partner besinnen, etwas gemeinsam unternehmen, die gegenseitige Wertschätzung aufrecht erhalten und auch ausdrücken. Die Entwicklungsaufgabe lautet: Auch als Eltern ein Paar bleiben. 5. Die eigene persönliche Entwicklung weiterhin nicht aus dem Blick verlieren und selbst aktiv bleiben. 6. Die Belastungen in dieser Zeit aufmerksam wahrnehmen, über Unzufriedenheiten und Ängste offen sprechen und mit dem Partner kreative Lösungen erarbeiten. 7. Realistische Erwartungen hinsichtlich der Entwicklung des Kindes, der Familie, der Partnerschaft und der eigenen Persönlichkeit finden. 8. Eine für beide Partner zufriedenstellende Aufteilung von Aufgaben aushandeln. 9. Kompetenzen zur Ausübung der Mutter- und Vaterrolle erwerben, eventuell auch im Rahmen eines Familienbildungsprogrammes. 10. Professionelle Hilfe (Erziehungs- und/oder Eheberatungsstellen etc.) in Anspruch nehmen. Abschließend möchte ich noch auf einige grundlegende Bedingungen zur Förderung der Entwicklung des Kindes eingehen. Meiner Ansicht nach stellt eine solidarische Elternallianz (englisch: Co-Parenting) die beste Basis für ein partnerschaftliches Erziehungsverhalten der Eltern dar. Wissenschaftlich wurde inzwischen eindeutig belegt, dass eine gute Paarbeziehung der Eltern entscheidend dazu beiträgt, dass ihr Kind das für sein ganzes Leben wichtige Grundgefühl von Urvertrauen, Sicherheit und Geborgenheit entwickeln kann. Wenn ein Kind beobachtet, dass seine Eltern sich mögen, geht es ihm in seinem sicheren Familienhafen gut und es kann mutig und frei beginnen, die Welt zu erkunden. Nach Ansicht des Begründers der Bindungstheorie, John Bowlby, ist es enorm wichtig, den Übergang von der Partnerschaft zur Elternschaft durch massive familienpolitische Maßnahmen zu unterstützen. Er schreibt: „Wenn eine Kultur ihre Kinder schützen möchte, dann muss sie damit beginnen, sich um die Eltern zu kümmern.“
Dr. Gerhard Nechwatal, Kirchenzeitung Nr. 33/34 vom 14. August 2016
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