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Serie: Lebensfragen - Lebenshilfe

29.06.2012

Liebeskummer – das ist wie ein Drogenentzug

Ich weiß nicht, wie es ihnen geht, aber mich berührt es immer wieder, wenn ich verliebte Paare sehe, wie sie eng umschlungen versuchen, den x-ten Rekord im Dauerküssen aufzustellen. Die kommenden Sonnentage sind für Verliebte geradezu wie geschaffen. Die schönen Tage und die lauen Abende sind aber auch eine Hochsaison für die Kehrseite des Liebesglücks, den Liebeskummer.

Äusserst ernst nehmen

In irgendeiner Weise befanden wir uns wohl alle schon einmal in dieser äußerst schmerzhaften körperlichen und seelischen Verfassung. Neben den erschöpften Betroffenen, die den Ausnahmezustand oft mit drastischen Worten schildern ("Alles tut mir weh", "Es zerreißt mich innerlich"), findet das Thema in unterschiedlicher Form in der Literatur (Goethe: Werthers Leiden), im Theater, im Film, in der bildenden Kunst und in der Musik – von der Oper bis zum Blues – seinen Ausdruck.

Meiner Ansicht nach muss der Zustand des Liebeskummers, der Menschen in jeder Lebensphase widerfahren kann, äußerst ernst genommen werden. Er ähnelt beispielsweise dem Erleben, welches Betroffene haben, die gerade mit dem Tod von nahestehenden Freunden und Verwandten konfrontiert wurden. Ergebnisse aus biopsychologischen Untersuchungen verweisen ebenfalls darauf, dass das sogenannte broken-heart-syndrome (Syndrom des gebrochenen Herzens) niemals bagatellisiert werden darf.

Zum einen erkannten die Forscher, dass sich die Stoffwechselvorgänge von Verliebten absolut mit den körperlichen und seelischen Vorgängen von Drogenabhängigen vergleichen lassen. Zum anderen folgerten sie daraus, dass eine Person, welche von ihrem Partner verlassen wurde, mit Entzugserscheinungen von der Sucht nach Liebe reagiert.

Symptome

Typische Symptome des Verlust- und Entzugserlebens können bei den Betroffenen auftreten: massive Leistungseinbrüche (in Schule oder im Arbeitsleben), psychosomatische Beschwerden, soziale Isolation, Appetitlosigkeit und Gewichtsabnahme, übermäßiges Essen, aggressives Verhalten, Schlafstörungen, Depressionen, übermäßiger Konsum von Alkohol und Nikotin, starke Eifersucht, mehr oder weniger intensives Verfolgen des Anderen (stalking), suizidale Gedanken und Handlungen.

Das Liebeskummer-Geschehen, das sich zeitlich über mehrere Wochen, Monate und in bestimmten Fällen auch über Jahre erstrecken kann und in dem abwechselnd Fortschritte, Rückschritte, Verzweiflungstaten und Ausraster möglich sind, lässt sich – in Anlehnung an Elisabeth Kübler-Ross – in verschiedene Phasen einteilen. Während in der Phase des ‘Nicht-Wahrhaben-Wollens’ noch die Hoffnung vorherrscht, dass alles wieder gut werden wird, ist die darauf folgende Phase der ‘Aufbrechenden Gefühle’ durch eine Mischung aus nagenden Selbstzweifeln und aggressiven Wut- und Rachegedanken gekennzeichnet. Nachdem weiterhin in der Phase der ‘Neuorientierung’ langsam Licht am Ende des Tunnels in Sicht kommt, wird in der Phase ‘Neues Gleichgewicht’ die Akzeptanz des Geschehenen und neuer innerer Frieden möglich.

Entliebungs-Prozess

Welche Handlungen können nun die bzw. den Liebeskummer-Versehrte/n bei der Linderung der Leiden unterstützen? Da das anzustrebende Fernziel ‘Den Partner ziehen zu lassen’ so schnell nicht möglich ist, möchte ich einige praktische Empfehlungen von Liebeskummer-Experten – zunächst zur Selbsthilfe – erwähnen: Achten Sie auf die Ernährung. Bleiben Sie aktiv (im Haushalt etc.), bewegen Sie sich (joggen etc.) und nehmen Sie sich Zeit für den kreativen Ausdruck Ihrer Gefühle (malen, schreiben etc.). Erlauben Sie es sich, zu leiden. Sprechen Sie mit Freunden. Rufen Sie sich in Erinnerung, welche Erfolge Sie im Leben bisher hatten. Bringen Sie Fotos, Briefe oder Geschenke von ihm oder ihr aus Ihrem Blickfeld. Vermeiden Sie so gut es geht Kontakte übers Telefon oder E-Mail wie auch direkte Begegnungen. Freunde und Verwandte der Leidenden können diese am Besten durch ihr Angebot, bei Bedarf verlässlich und geduldig für Gespräche oder Ablenkungsaktivitäten beim Prozess des ‘Entliebens’ zur Verfügung zu stehen, unterstützen. Sehr förderlich für den Genesungsprozess der Betroffenen ist natürlich auch eine möglichst tolerante und verständnisvolle Haltung der Personen an deren Arbeits- oder Ausbildungsplatz.

Dr. Gerhard Nechwatal, Kirchenzeitung vom 1. Juli 2012

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